Vielleicht hat es etwas mit der Zeit zu tun, die so schnell verrinnt, vielleicht mit der Einstellung, die ich sowohl von meinen Eltern über- als auch im Laufe der Zeit angenommen habe. Was ich da mache, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, fällt für mich persönlich, wenn ich ganz ehrlich bin, nicht in die Sparte "anständige Arbeit". Nicht, dass das Schreiben keine ernstzunehmende bzw. angesehene Arbeit wäre (teilweise ist es ein viel anstrengender Job als viele andere, weil er sich an keine Uhrzeit hält und sich auch von turbulenten Ereignissen nicht beeinflussen lässt), sondern weil es nicht wirklich eine konstante Beschäftigung ist. Also ungeeignet für eine gedankliche Verbindung mit dem Wort "Lebensunterhalt". Kreatives Schreiben erfolgt schubweise und geht auch "nebenher", salopp gesagt, oder aber es muss sowieso raus, egal, ob man 12-Stunden-Schichten in einer Fabrik schuftet oder sich einen faulen Tag macht. Und Werbetexten fällt für mich eindeutig in eine ganz andere Schublade, nämlich Prostitution.
Nachdem meine schreiberischen Reserven ziemlich erschöpft zu sein scheinen, mache ich mich auf die Suche nach einem Job, der mir ein fixes Einkommen garantiert, mit Verlassen des Arbeitsplatzes beendet ist und nicht weiter in meinen Gedanken herumspukt, und wenn möglich auch so ein kleines bisschen Spaß macht. Zeitlich begrenzt, bis ich weiß, was ich als nächstes machen will (oder die Eingebung für einen "richtigen" Roman, also ein literarisches Werk, kriege). Und man kann jetzt aufstöhnen, laut lachen oder entsetzt dreinschauen, aber ich habe morgen ein Gespräch bezüglich einer Kellnerstelle für den Sommer. Hat sich zufällig ergeben, ich hatte gefragt, bevor ich den halbgaren Gedanken zu Ende geführt hatte, aber ich bin jetzt schon erleichtert, dass ich einen Schritt in diese Richtung getan habe, die bestimmt im Moment die richtige ist.
(Natürlich könnte ich mir einen Bürojob suchen, etwas besser Bezahltes, etwas mit mehr Verantwortung und Freizeit, klar. Aber solange man als Magister weniger verdient als hinterm Tresen, setze ich Prioritäten.)
Ich schiebe alle Zweifel beiseite und beschließe zu genießen. Die Zeit für mich, die Zeit mit Mister A und die Freiheit, einige anstehende (jobtechnische) Entscheidungen zu treffen.
Das mit dem Museumsjob ist aus Geldgründen nichts geworden, und das ewige Werbetexten kotzt mich an. Das Buch ist fertig, und so habe ich keinen
sogno nel cassetto, keinen Traum mehr in der Schublade. Da muss ein neuer her. Any ideas?
Die Zeit mit Mister A genieße ich durch stures Ignorieren der Befürchtung, ich wäre (mittlerweile) beziehungsuntauglich. Ein Jahr mit einem Borderliner hat mich wohl doch etwas abgehärtet, was sich in schroffen Reaktionen meinerseits auf liebevolle SMS seinerseits äußert. Noch hat er nicht aufgegeben. Und ich strenge mich - zum ersten Mal in meinem Leben - an, auch meinen Teil dazu beizutragen, dass es klappt mit uns beiden.
Meine Nachbarin meinte neulich, ich sollte etwas mehr auf mich achten. Bedenkt man die Gefallen, die ich in letzter Zeit an allen Fronten erledigt habe, den gut gefüllten Kummerkasten bzw. das ständig klingelnde Sorgentelefon und mein überraschend dünnes Fell gegenüber Problemen von Freundinnen und Freunden, hat sie wohl recht. Jetzt bin ich mal dran.
Kein Anschluss unter dieser Nummer.

Da saßen wir nun bei unserem ersten Date. Es war Samstag, und Mister A hatte ein Designerhotel ausgesucht, in dem uns ein Degustationsmenü kredenzt wurde (zubereitet von meinem Lieblingskoch und Mann mit der Bohrmaschine Mister T, von dem hier schon öfters die Rede war). Er hatte ein Zimmer mit Doppelbadewanne und allen Annehmlichkeiten gebucht und betont, dass er nicht darauf aus wäre, mich flachzulegen. Ich fand das zwar etwas schade, genoss es aber, endlich einmal von einem Mann so richtig verwöhnt zu werden, unterhielt mich prächtig und war nur ein bisschen nervös, weil er es so verdammt ernst meinte mit mir. Ich war mir da immer noch nicht sicher.
Womit er mich schließlich rumkriegte, weiß er wahrscheinlich selbst nicht, und ich werde mich hüten es ihm zu sagen. Nicht mit den Rosenblüten im Badewasser, sondern mit der Geschichte, wie er sich beim Kauf derselben im Geschäft zum Deppen gemacht hatte, weil er den Damen hinterm Tresen genau erklärt hatte, wozu er die Dinger brauchte ("Angelikaaaaaa! Der junge Herr braucht Rooooosenblüten, für die Badewanne!!!"). Nicht mit dem Abendessen, sondern mit der Wahl des Lokals, in dem ausgerechnet einer meiner besten Freunde arbeitete. Mit ihm hatte sich Mister A kurzum zusammengetan, um mich zu überraschen (statt eifersüchtig zu sein wie alle Mister vor ihm).
Er kriegte mich nicht mit den 20 SMS rum, die er am Tag schrieb, sondern mit der einen, die er nicht schrieb, sondern auf eine Reaktion wartete und mir die Zeit gab, mich auch in ihn zu verlieben.
Und so nahm ich meinen Mut zusammen und sagte ihm, dass ich nichts dagegen hätte, mit ihm zusammen zu sein. Also, so richtig. Als Freund und Freundin. Er wäre auch nur fast abgesoffen in der Badewanne, und nachdem er den ersten Schrecken überwunden hatte, strahlte er mich an. Und hat bis heute noch nicht damit aufgehört.
Da lernt Pringle mal jemanden kennen, der gut aussieht, im besten Alter ist, ernsthafte Absichten hat, zurückhaltend und dennoch witzig und spontan ist. Der nicht nur einen Job hat, sondern auch ein Auto, der keine Drogen nimmt, kein Säufer ist und von sich selbst behauptet, ehrlich und treu zu sein, weil alles andere Zeitverschwendung sei. Besagter Typ schreibt SMS, die Pringle nicht lästig sind, ruft an und sagt das Richtige, macht ihr Komplimente, ist aber nicht schleimig oder aufdringlich. Er ist größer als sie, auch wenn sie Stöckelschuhe trägt, hat Robbie-Williams-Lachfalten um die Mundwinkel, gepflegte Hände und saubere Schuhe. Musik ist sein großes Hobby, keine Hirnschäden oder seltsamen Exfreundinnen sind bekannt. Er bringt sie zum Lachen, zum Nachdenken und auf noch ein paar nicht ganz jugendfreie Gedanken.
Eine ernsthafte Gefahr für Single-Pringle, die ihre Freiheit doch grade eben noch so genossen hat. Deshalb fällt die Reaktion so aus (chronologisch):
a) Panik I (nichts wie weg! der will mich einfangen!)
b) Pessimismus (wenn der mich erst mal besser kennt, will er eh nix mehr von mir)
c) Einlenken (okay okay... schauen wir's uns mal an...)
d) Panik II (was, wenn er ein schlechter Küsser ist? oder schlecht im Bett? oder einfach nur verzweifelt auf der Suche?)
Seit wann ich ihn kenne? Seit 4 Tagen, warum?