papachos
Wir haben uns das letzte Mal vor einem halben Jahr gesehen. Obwohl wir nur wenige Kilometer entfernt voneinander leben, gibt es einfach zu wenige Berührungspunkte. S. hat eine Freundin und ein Kind, zusammen mit zwei Jobs ergibt das Zeitprobleme beim Organisieren von Treffen mit alten Freundinnen. Mein Leben verläuft sowieso meist chaotisch, weshalb man meinen möchte, es sei nicht einfach, die Freundschaft am Leben zu erhalten.
Und trotzdem geht es ganz leicht. Meist mit viel Alkohol, sehr viel Blödsinn und langen Gesprächen, die sich weniger um die Eckdaten in unserem Leben drehen, sondern um unser Innerstes, die Probleme, die Fragen, die Sehnsüchte, die Erfahrungen. Mit ihm ist es ganz leicht, über Dinge zu reden, über die ich sonst mit niemandem spreche. Und ich habe keine Ahnung, warum.
Aber das ist auch egal. Es ist einfach schön, mit jemandem, den man zweimal im Jahr sieht, um vier Uhr morgens über die Erziehung seiner Tochter zu plaudern, über Musik, über Eltern, die alt werden, Beziehungen, die sich festigen, alte gemeinsame Freunde und neue Erlebnisse. Ratschläge anzunehmen, weil der andere die Dinge von einem ganz neuen Standpunkt aus betrachtet. Sich anzuschweigen und zu wissen, dass alles in bester Ordnung ist.
Also dann... bis Weihnachten, Bruder!
Der dürftigen Ausstattung des Kaufhauses meines Vertrauens nach zu urteilen, bin ich der einzige Mensch auf diesem Planeten, der noch CDs kauft. Sobald ich umgezogen bin, lege ich mir als Allererstes ein Haustelefon zu. Mit Wählscheibe wäre super. Ich habe mich von Facebook abgemeldet, verfüge seit Muttertag (!) über eine Brotbackmaschine und noch immer über kein SAT-Fernsehen. Ich telefoniere lieber als SMS zu schreiben, gehe einkaufen statt shoppen und würde meinen Sommer am Liebsten auf der Alm verbringen. Meine Rechtfertigung für meinen neuesten Erwerb, eine Diana F+ aus dem Hause Lomo, fast schon übertrieben analog, so richtig mit Filmrolle zum manuellen Weiterdrehen, quittierte meine Mami mit den Worten: "Was heißt da retro, du bist einfach nur bescheuert!" Aber ich liebe mein neues Spielzeug heiß und innig. Hoffentlich werden die Fotos was. Fortsetzung folgt.
Die letzten zwei Wochen waren etwas hektisch, aber jetzt habe ich es vorerst hinter mir. Zur Erklärung:
Ein deutscher Verlag hat angefragt, ob ich an einem Buchprojekt interessiert sei. Nach einiger Überlegung (und Befragung von einer, die das hinter sich hat, vielen Dank für den kostbaren Rat, Frau Testsiegerin :)) die verlangten Unterlagen - Lebenslauf, Exposé und 2 Textproben - nach Berlin geschickt.
Erleichtert und glücklich. Jetzt heißt es nur noch warten. Auch wenn nichts daraus werden sollte, meine Motivation ist geweckt, und mein Ego angestachelt.
2 Tage Zeit fürs Versenden des Lebenslaufs, 1 Woche für ein Exposè und Textproben, dann heißt es Daumen drücken. Und wenn den Leuten meine Texte gefallen, werde ich unter Vertrag genommen (...sagt man das so in diesen Kreisen? Ich hab doch keinen blassen Schimmer). Der Verlag macht einen guten Eindruck, die Programmleiterin ist in Wort und Schrift sehr nett, vor allem gefielen mir die Worte, mit denen sie unterstrich, dass sie auf der Suche nach Autorinnen sei, die länger für sie arbeiten:
"Weißt du, wir sind kein Verlag für eine Nacht."
...vor der Hochzeitsnacht oder was?
Pringle zittert wie eine Erstklässlerin vor dem ersten Schultag.
Was soll das?
S.O.U.V.E.R.Ä.N.I.T.Ä.T.
P.O.S.I.T.I.V.D.E.N.K.E.N.
ohmmm...
Aus "launisch" mach "übermütig". Aus dem Sumpf der Lethargie ziehe ich mich hoch und hangele mich auf dem Euphoriebaum von Ast zu Ast, bis ich die Spitze erreiche. Den Himmel berühre ich noch nicht, aber ich kann sein Blau schon schmecken, ganz vorne auf der Zungenspitze. Wenn ich mich ein bisschen strecke, dann vielleicht...
Und wieder einmal schreibe ich: "wünscht mir Glück". Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber ich weiß auch, dass ihr insgeheim auf meiner Seite steht, wenn ich wieder einmal zu Höhenflügen ansetze, weil mir mein Käfig zu eng wird (hey, wenigstens glänzt er jetzt schon golden, anfangs war er noch ein rostiges Stück Blech) und unruhig hin und herflattere.
Und dass ihr euch wie der Gefängniswärter umdreht und mir rastlosem Mistvieh verstohlen die Daumen drückt für meine Odyssee, die wohl nie ein Ende haben wird.
P.S. Etwas ist anders. Ich falle immer weicher. Denn wie man sich bettet, so fällt man. Oder so.
...bringt mich immer wieder zum Lachen, auch wenn mir mal zum Heulen ist.
Gestern kam sie zu mir ins Büro, um einige Änderungen der Menüpunkte einer Webseite (eines, äh, schwierigen - sprich unsympathischen - Kunden) zu besprechen.
Ich zu ihr:
"Und dann wäre da noch die Bildergalerie, die wird auf Wunsch des Kunden umbenannt in 'Impressionen und Emotionen'..."
Sie schaut kurz von ihrer Mitschrift auf und fragt lakonisch nach:
"Äh... Depressionen und was?"
"...und Psychosen, ja genau."
Eines Morgens, ich bin gerade beim Zähneputzen, tappst Mister Pringle auf leisen Sohlen heran, massiert mir kurz den Rücken und meint:
"Neulich traf ich einen Bekannten, der mich seinen Kumpels mit den Worten vorstellte: 'Der Junge hat sich den Traum eines jeden Kerls erfüllt und fickt seine Lehrerin!' Passiert dir das auch immer noch, dass sich die Leute wundern über, du weißt schon... über uns?"
"Ja, ständig."
"Stört es dich?"
Ich runzle die Stirn und spucke ins Waschbecken. "Na ja, es ist mir egal. Nur das mit dem 'ficken' halt finde ich etwas salopp ausgedrückt... es ist ja nicht so, dass das alles ist."
Heftig nickend stimmt er mir zu: "Nicht wahr? Das finde ich auch nicht korrekt. Ich meine... wir sind doch auch Menschen!!!"
Laut lachend drehe ich mich zu ihm um, und das Herz geht mir auf bei der Erkenntnis, dass in seinem Gesicht keine Spur von gespielter Entrüstung oder echter Ironie zu entdecken ist.
"Manchmal bin ich einfach nur da. Dann möchte ich nichts unternehmen, will nichts von dir, ich möchte dir nahe sein, suche aber nicht unbedingt den Austausch, ob nun von Worten oder Körperflüssigkeiten. Das bedeutet nicht, dass ich unglücklich bin oder mich langweile, sondern einfach nur, dass ich - bin. Wie eines dieser Kissen, die hier rumliegen."
Mister Pringle lehrt mich doch tatsächlich etwas, was eigentlich dem Alter zugesprochen wird. Gelassenheit.
Es ist mir egal, was hinter meinem Rücken geredet wird. Ob meine direkte Art Menschen vor den Kopf stößt. Ob das, was ich tue, auf Zustimmung trifft. Es ist mir egal, wer was von mir weiß, meine Probleme, meine Eskapaden, Essgewohnheiten und die Farbe meiner verdammten Unterwäsche. Aber wenn ich Wert darauf lege, dass etwas den engsten Kreis des Vertrauens nicht verlässt, und verraten werde, egal ob mit Absicht oder aus blanker Oberflächlichkeit, dann werde ich ungemütlich.